Bedarf es der Zustimmung beider leiblicher Elternteile?
Lebt ein Kind nach der Trennung der beiden leiblichen Elternteile für Jahre mit dem/der neuen Lebenspartner-/in der Mutter zusammen und besteht zwischen ihnen ein gutes Verhältnis, kann der Wunsch aufkommen, dass diese/r nicht nur sozial, sondern auch rechtlich die Mutter- oder Vaterrolle übernimmt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der leibliche Elternteil, dessen Rolle übernommen wird, verstorben ist, keinen Kontakt mehr zu seinem Kind hat oder der Umgang mit dem Kind nur als sporadisch bezeichnet werden kann.
Wichtig zu wissen
Bei einer Stiefkindadoption übernimmt der Adoptierende für das adoptierte Kind alle rechtlichen Verbindungen, die vorher dem leiblichen Elternteil oblagen. Dessen Rechtsbeziehung zum Kind wird damit vollständig aufgehoben. Die Rolle des anderen leiblichen Elternteils, das die neue Beziehung zum Adoptierenden eingegangen ist, bleibt aber unberührt. Sprich: Hat die Mutter einen neuen Freund, der das Kind aus erster Ehe adoptieren möchte, und wird der Adoption stattgegeben, wird der leibliche Vater und ihr Ex-Ehemann von allen Rechten und Pflichten in Bezug auf sein Kind entbunden. Dies bezieht sich auch auf den Unterhalt: Der neue Lebenspartner wird unterhaltspflichtig, während die Unterhaltspflicht des leiblichen Vaters entfällt. Und im Todesfall des neuen Partners hat das adoptierte Kind eine gleichberechtigte Stellung zu eventuellen leiblichen Kindern desselben inne.
Voraussetzungen für eine Stiefkindadoption
Angesichts der Tragweite einer Adoption ist die Entscheidung dafür gut abzuwägen. Ist die Familie dazu entschlossen, schaut der Staat noch einmal genau hin. Folgende Voraussetzungen muss der Adoptierende erfüllen:
- Mindestalter 21 Jahre, Altersunterschied zum Kind nicht zu groß – i.d.R. 40 Jahre
- Gemeinsames Zusammenleben mit dem Kind seit mindestens einem Jahr
- Verheiratet mit einem der beiden leiblichen Elternteile oder (neu seit 2020) gemeinsames Leben in einer „verfestigten Lebensgemeinschaft“ § 1766a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- „Verfestigte Lebensgemeinschaft“ liegt vor, wenn der Adoptierende seit mindestens 4 Jahren eheähnlich mit dem leiblichen Elternteil zusammenlebt oder mit diesem ein gemeinsames Kind entstanden ist und alle als Familie zusammenleben
- Ist einer der Partner noch verheiratet, wird i.d.R. NICHT von einer „verfestigten Lebensgemeinschaft“ ausgegangen – Einzelfallprüfung
- Alle o.g. Ausführungen gelten auch für gleichgeschlechtliche Paare.
Der Weg zur Adoption
Der erste Weg führt zum Jugendamt, wo man sich gut beraten und informieren lassen sollte. Eine Beratung ist vor dem Antrag auf Adoption tatsächlich verpflichtend.
Der Antrag auf Adoption ist dann beim Familiengericht einzureichen. Ihm sind einige Unterlagen beizulegen, darunter z.B. Einkommenssteuerbescheinigung, polizeiliches Führungszeugnis, ärztliches Attest für das Kind und sich selbst. Ab 14 Jahren hat das Kind das Recht, Zustimmung zur Adoption zu geben oder zu verweigern. Die Zustimmungserklärung des Kindes ist ebenso beizufügen, genauso wie die Einwilligung der beiden leiblichen Elternteile. Letztere muss notariell beglaubigt sein. Der Antrag an sich ist ebenfalls beim Notar zu beurkunden.
Das endgültige Urteil trifft das Familiengericht, wobei es sich maßgeblich auf die Einschätzung des Jugendamtes stützt. Wenn sich das Jugendamt mit dem Fall befasst, steht immer die Frage im Fokus, ob die Adoption dem Kindeswohl dient. Um diese zu beantworten, ist eine Befragung aller Beteiligten i.d.R. vorgesehen. Das Jugendamt prüft insbesondere auch die Motive der Adoption. Entsteht der Eindruck, dass sie auf ein Untergraben des Umgangs/Sorgerechts eines leiblichen Elternteils abzielen könnte, wird die Einschätzung kritisch ausfallen.
Zustimmungsregelung
Ist der leibliche Elternteil, dessen Rolle der Adoptierende einnehmen möchte, verstorben, unbekannt oder nicht auffindbar, stellt sich die Frage nach seiner Zustimmung zur Adoption natürlich nicht. Dann übernimmt das Betreuungsgericht die Rolle dieses Elternteils und gibt das Einverständnis oder verweigert es.
Doch was passiert, wenn der leibliche Elternteil sehr wohl anwesend ist und seine Zustimmung verweigert? Dann prüft das Jugendamt sehr genau die interfamiliären Verhältnisse und den Umgang aller Beteiligten mit dem Kind. Kommt es zur Überzeugung, dass eine Adoption dem Kindeswohl dient, wird es trotz fehlender Zustimmung eines Elternteils entsprechend das Gericht beraten.
Ist absehbar, dass es zu einem solchen Konflikt kommen sollte, wird ein rechtlicher Beistand i.d.R. nötig. Sowohl für einen Vater oder Mutter, dem/der durch die Adoption alle Rechte fürs Kind entzogen würden, als auch für eine/n Adoptierende/n, der/die überzeugend darlegen muss, warum er/sie die Rolle viel besser ausfüllt, handelt es sich um eine sehr emotionale Situation und ohne Rechtsbeistand ist man schnell in Fallen verstrickt, die man nicht hat kommen sehen.
Ausnahme: Ist das Stiefkind zum Zeitpunkt der Adoption über 18 Jahre alt, ist eine Zustimmung beider leiblicher Elternteile nicht mehr erforderlich.
Text: SB